Politik

Die Grünen im Interview zum Thema CETA

Teil 1/2: Dr. Madeleine Petrovic


Bildmontage (Quelle: Roland Kreisel)
GDN - Die Non Profit News (NPN) Korrespondentin Annemarie Komma im Interview mit Dr. Madeleine Petrovic, Präsidentin Wiener Tierschutzverein, und Mag.a Ulrike Fischer - Geschäftsführende Gemeinderätin, Landesvorstandsmitglied (Bezirk Tulln) zum Thema Europäisch-Kanadisches Freihandelsabkommen CETA.
Dieses Interview wurde am 27. September 2014 in Greifenstein, im Zuge der "Green Dance Night", geführt.

Komma (NPN)
Frau Petrovic, wie Sie wissen war ja Gestern die CETA Verhandlung in Kanada. Wie stehen die Grünen jetzt prinzipiell dazu? Gibt es da jetzt irgendwelche Neuigkeiten oder etwas was wissenswert ist?

Dr. Petrovic
Die Grünen in ihrer Gesamtheit stehen dazu den ganzen Freihandelsabkommen kritisch und skeptisch negativ. Wobei ich persönlich immer ein paar besondere Aspekte betont habe, jenseits der Frage jetzt der Dinge die bei uns mehrheitlich verpönt sind, wie etwa die chemische Behandlung von Lebensmitteln. Dass sprichwörtliche Chlorhuhn oder die zwangsweise Einführung der Gentechnik in der Landwirtschaft.
Doch soweit müssen wir gar nicht gehen. Denn zum ersten muss man sich die Frage stellen: “Wozu brauchen wir das alles?“ Unser Problem heute ist nicht, dass wir einen Mangel an Sachgütern haben, oder das diese Güter im Großen und Ganzen zu teuer wären. Dass es Armut gibt ist keine Frage, dies liegt aber nicht an den Preisen der Güter, sondern an der ungleichen Verteilung.

Natürlich jedes weitere Freihandelsabkommen erzeugt mehr Verkehr und Umweltbelastung. Hätten wir hier eine Notsituation oder gäbe es Industriegüter, die unsere Industrie dringend braucht, dann würde ich auch sagen, sprechen wir darüber.
Aber wir haben ja das Problem, dass wir Umweltprobleme haben, dass wir Probleme haben die Güter überhaupt zu vermarkten, weil eben die Verteilung so ungleich ist. Doch dazu kommt etwas spezielles, selbst wenn alle Standards die im Bereich des KonsumentenInnenschutzes, im Bereich der Lebensmittel und im Bereich der Umwelt nicht gefährdet werden, dann kommt immer noch die Demokratiefrage.
Aber vor allem auch die Frage der Größenverhältnisse. Wenn man sich zum Beispiel im Zusammenhang mit Amerika ansieht, ich bin ja sehr engagiert im Tierschutz aber auch im Schutz für die landwirtschaftlichen Nutztiere, bei uns hat eine durchschnittliche Hühnerhaltung (Legehennen) unter 500 Tiere. In Amerika gibt es keine Hühnerfarm unter einer Million Tiere. Wenn jetzt ohne eine Art Ausgleichszoll Eierpulver, Flüssigei für Teigwaren, Backwaren, für Saucen aller Art kommt, dann können wir die Hälfte unserer Hühnerbauernhöfe vergessen. Dann werden nur mehr die überbleiben, die die Schaleneier produzieren, für die KonsumentenInnen.
Komma (NPN)
Bedeutet das, Sie sehen auch eine Gefahr für die gute Qualität unserer Lebensmittel, für die ja Österreich steht?

Dr. Petrovic
Absolut und aber auch für die Arbeitsplätze. Wo sollen zum Beispiel ein 50 Jähriges Ehepaar hingehen, wenn sie den Hof nicht mehr halten können, da gibt es keine Möglichkeiten. Eine ganz Große Frage ist die Demokratiefrage. Über das wird die Ulli noch was sagen. Denn es kann nicht sein, das es irgendeine Instanz gibt, über der österreichischen Gesetzgebung und Verfassungsgesetzgebung, dass gibt es nicht. Wenn dies versucht würde, dann glaube ich, dass das eine Gesamtänderung unserer Verfassung wäre. Dies wäre etwas, was unbedingt der österreichischen Bevölkerung zur Entscheidung vorgelegt werden müsste.
Auch kommt ja immer wieder der Einwand, dass Österreich schon Investitionsschutzabkommen eingegangen ist, aber das wurde von unserem Nationalrat beschlossen. Doch ich habe, solange ich im Nationalrat gewesen bin, immer gegen jedes Freihandelsabkommen gestimmt. Aus einem sehr einfachen Grund; Ich glaube solange in einem Land, Demokratie, Menschenrechte und ein gewisses soziales Niveau gewahrt sind, sehe ich keine Gefahr für irgendwelche Investitionen. Also in Österreich fängt ja niemand an, irgendeine Fabrik zu stürmen, weil der EigentümerInn einen anderen Reisepass hat. Sondern im Großen und Ganzen sind wir ja froh, wenn bei uns investiert wird. Allerdings nur dann, wenn es ökologisch und sozial in Ordnung ist.
Doch wenn dies in einem Land nicht in Ordnung ist, wenn die Menschen unterdrückt werden wenn sie Angst haben müssen, wenn Menschen verschwinden, dann werden früher oder später auch die Investitionen nicht sicher sein. Diese Gefahr oder Möglichkeit, dass sich die Menschen früher oder später zur Wehr setzen wenn sie unterdrückt werden, ich denke das sollten Investoren durchaus einkalkulieren.

Komma (NPN)
Das bedeutet Sie würden auch auf lange Sicht den guten Standard gefährdet sehen? Durch diese Freihandelsabkommen, wie CETA, TTIP usw.

Dr. Petrovic
Ja, dass darf einfach nicht passieren, dass irgendein Konzern sagt, die Österreicher dürfen nicht diese oder jene Umweltnorm verteidigen, weil dann tu ich mir schwer meine waren zu verkaufen.
Komma (NPN)
Uns ist zu Ohren gekommen ist, dass dieses Freihandelsabkommen ohne der Einwilligung der jeweiligen EU-Staaten unterzeichnet worden sind und weder Bevölkerung noch Regierungen dazu befragt worden sind. Was ist da dran?

Dr. Petrovic
Ja das entspricht der Wahrheit, denn es gab überhaupt keine Informationen. Wir haben immer wieder versucht, auf der Gemeindeebene, in den Landtagen und natürlich auch im Parlament Informationen herbeizuschaffen. Die KollegenInnen im europäischen Parlament haben uns geschildert wie das dort zugeht. Da gibt es schon einen Ausschuss, nur es ist ein Ausschuss wie er in dieser Form bisher noch nicht existiert hat.
Da durfte man nichts mithineinnehmen, womit man vielleicht irgendetwas fotografieren kann. Also kein Handy, kein Fotoapparat. Man durfte auch sonst keinerlei Aufzeichnungen machen. Man hat nicht einmal geschriebene Ausschussunterlagen bekommen. Sondern sie haben dort so einen kleinen Blick hinein machen dürfen. Doch das kann es ja nicht sein. Für die demokratischen Standards und für eine öffentliche, vom Volk kontrollierbare Gesetzgebung, dafür sind Menschen gestorben.
Dafür haben wirklich viele Menschen ihren Kopf hingehalten und wir wissen was für eine bewegte Geschichte das gewesen ist, in Europa ab der französischen Revolution. In Österreich war dies eine besonders mühsame und teilweise auch tragische Geschichte. Jetzt kommt irgendwer und kann das hinter verschlossenen Türen aushebeln.

Ich sage, vielleicht ist es ja ganz gut, dass sich die Situation in vielerlei Hinsicht zuspitzt. Denn es gibt einen Satz den höre ich überall wo ich hinkomme: “So kann es nicht weitergehen.“ Von der Verteilung her, von der Steuerlast für die Leute mit kleinem Einkommen, von den täglichen Überlebenskämpfen, der Alleinerzieherinnen, der Mindestrentnerinnen.
Alle Errungenschaften, speziell der Nachkriegszeit, werden jetzt wieder zurückgenommen, in Richtung von Privilegien einiger Weniger. Dafür stehen diese Abkommen, fast Sinnbildlich. Ich glaube es wird mit vielerlei Hinsicht mit der Frage gibt es eine Grundsicherung für die Leute, muss ich Angst haben wenn ich einfach mit dem Tempo in der Wirtschaft nicht mehr mitkomme, wenn ich eine Pause brauche, muss ich dann wirklich Angst haben, entweder heizen oder essen kann. Und dies mitten Im Wohlstand wo wir alles wegschmeißen, dass kann es nicht sein.

Dass Abkommen ist zwar nicht gut, aber ich glaube das gerade diese Vorgangsweise sehr viele Leute politisiert hat, die sich jetzt einmischen und das ist gut so.
Komma (NPN)
Glauben Sie, dass es wird es noch etwas geben, dass man da einlenken kann, bzw. dass da doch noch eine Bewegung entsteht oder ist das jetzt schon Endgültig?

Dr. Petrovic
Man soll mir doch einfach mal sagen, warum man das will. Also Zölle und Handelsschranken gibt es eigentlich ohnehin nur noch auf gewisse Agrarprodukte. Wir sagen alle, wir wollen den Feinkostladen Österreich, wir wollen aus der Region kaufen, sogar in den Supermärkten gibt es jetzt schon eigene Bereiche oder Inseln wo regionale Produkte angeboten werden. Und jetzt machen wir genau das Gegenteil, dass ist ein großer Wiederspruch.
Ich glaube es ist überhaupt nicht unser Problem, dass wir den Handel stimulieren müssen. Wir müssen die Armut bekämpfen, wir müssen an der Verteilung viel zurechtrücken, wir müssen schauen, dass die Güter die transportiert werden, ökologischer transportiert werden, damit wir unsere Umwelt nicht noch mehr schädigen.

Komma (NPN)
Man kann also sagen zusätzlich noch ein großer Rucksack, den die EU noch von Außen bekommt.
Dr. Petrovic
Ja, ein sehr großer sinnloser Rucksack. Wie gesagt ich bin auch bereit eine gewisse Gefahr in Kauf zu nehmen, wenn sich sage ich bekomme dadurch einen großen Nutzen. Zum Beispiel sind wir alle ja Mobil, und wir wissen aber genau, dass zum Beispiel Autofahren eine große Gefahr in sich birgt. Durch das, dass wir das auch so wollen, nehmen wir ein gewisses Risiko in Kauf. Doch für dieses Risiko mit den Freihandelsabkommen, sehe ich keinen besonderen Nutzen, überhaupt nicht.
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