Politik

Interview mit Michel Reimon, EU-Abgeordneter der Grünen Österreich

Thema: TTIP, CETA, TISA, EGA


Bildmontage (Quelle: Roland Kreisel)
GDN - Interview. EU-Abgeordneter der Grünen Österreichs, Michel Reimon beantwortete Fragen zu den Themen TTIP, CETA, TISA und EGA mit speziellem Bezug auf Österreich. Besonders die Grünen stehen diesen Freihandelsabkommen sehr skeptisch gegenüber.
Kreisel: Die Grünen stehen ja den TTIP, CETA und TISA Abkommen skeptisch gegenüber. Was sind die Hauptkritikpunkte?

Reimon: Die Verhandlungen über alle diese internationalen Abkommen sind intransparent und finden hinter verschlossenen Türen statt. So haben die BürgerInnen keinen Einblick, was in ihrem Namen verhandelt wird und ob die Verhandlungsergebnisse ihre Zustimmung finden. Weder Abgeordnete des Europäischen Parlaments noch der nationalen Parlamente sitzen am Verhandlungstisch. An den Verhandlungen nehmen aber sehr wohl Unternehmens-Lobbyisten teil, die ihre Interessen vertreten, hinter denen aber keinerlei demokratische Legitimation steht.
Deshalb fordern wir die Veröffentlichung sämtlicher Verhandlungsdokumente, damit in der Öffentlichkeit über die Inhalte der Abkommen diskutiert werden kann und letztendlich ausschließlich Abkommen abgeschlossen werden, die im Interesse des Gemeinwohls sind.

Sowohl bei CETA als auch bei TTIP ist einer unserer Hauptkritikpunkte, dass Konzernen Sonderklagsrechte gegenüber Staaten eingeräumt werden soll. Wir Grüne sprechen uns entschieden dagegen aus, dass Konzerne Staaten vor nicht demokratisch legitimierten Schiedsgerichten verklagen können, wenn sie ihre Gesetze im Interesse der BürgerInnen ändern und bestehende Standards im Sozial-, Umwelt-, KonsumentInnen-, Datenschutzbereich etc. ausbauen und verbessern wollen.
Sowohl die EU als auch Kanada verfügen über hochentwickelte Justizsysteme, an die sie auch Unternehmen wenden können. Insofern sind diese Sonderklagsrechte für Konzerne mehr als überflüssig.

In der EU sowie in den USA und Kanada gibt es unterschiedliche Standards in vielen Bereichen (z.B. Lebensmittelsicherheit, Zulassung von Chemikalien und Arzneimitteln, Produktsicherheit, ökologische Vorgaben). Diese sollen durch die Abkommen angeglichen werden. Dadurch würden hohe europäische Standards bei KonsumentInnen-, Umwelt- und Datenschutz, bei ArbeitnehmerInnen-Rechten, Sozialstandards, Daseinsvorsorge, Lebensmitteln, Landwirtschaft, kulturelle Dienstleistungen usw. unter Druck geraten.
Wir setzen uns dafür ein, dass unsere bestehenden Standards sowie das in Europa vorherrschende Vorsorgeprinzip gesichert und deren Weiterentwicklung ermöglicht wird.

Bei TISA geh es um die Öffnung nationaler Dienstleistungsmärkte für ausländische Konzerne. Es droht u. a. die Liberalisierung von Wasserversorgung, digitalem Handel, Bildung, Transport, Versicherung, Telekommunikation und Post sowie im Finanzwesen. Auch Dienstleistungen in den Bereichen Energie und Umwelt sind eingeschlossen.
Unzählige Beispiele aus der Vergangenheit belegen die großen Gefahren hinter der Öffnung von Dienstleistungsmärkten: Verlust der Qualität von Dienstleistungen, Abnahme der Versorgungssicherheit für BürgerInnen, Unternehmen unterlassen erforderliche Investitionen, niedriger Löhne für ArbeitnehmerInnen, teilweise auch höhere Preise für die Dienstleistungen etc. Alle diese Entwicklungen wollen wir nicht.
Problematisch ist insbesondere, dass durch Festlegung von internationalen Regeln die Entscheidungsautonomie vor allem von Kommunen eingeschränkt wird. Gemeinden, die für die BürgerInnen notwendige öffentliche Dienstleistungen erbringen bzw. anbieten, könnten ihrer Freiheit beraubt werden, zu entscheiden, wie und in welcher Weise öffentliche Dienstleistungen erbracht werden. Gegen die Aushöhlung kommunaler Selbstbestimmung treten wir entschieden auf.
Kreisel: Was für Maßnahmen setzen die Grünen gegen diese Abkommen? Gibt es spezielle Aktionen, an denen sich besorgte BürgerInnen beteiligen können? Zum Beispiel eine Bürgerinitiative oder eine Petition.

Reimon: Wir Grüne machen durch unsere diversen Presseaktivitäten auf die Gefahren von TTIP, CETA, TISA aufmerksam, nachzulesen auch auf unserer Homepage: http://www.gruene.at/schwerpunkte/ttip-no-thanks

Darüber hinaus nützen wir parlamentarische Instrumente, um von der Bundesregierung Informationen zu den einzelnen Abkommen zu erhalten, die ja hinter verschlossenen Türen verhandelt werden.
Außerdem unterstützen wir die im Nationalrat eingebrachte Bürgerinitiative gegen TTIP, die Sie hier unterschreiben können:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/BI/BI_00042/index.shtml

sowie eine Petition von Greenpeace:
www.freihandelsabkommen.at

Darüber hinaus möchten wir auf die Europäische Bürgerinitiative "Verhandlungsstopp für TTIP und CETA" hinweisen, die im Juli auf EU-Ebene eingebracht wurde. Sie wird derzeit von der Europäischen Kommission auf formale Zulässigkeit geprüft. Der Startschuss für die Sammlung der Unterschriften soll Mitte September erfolgen.
Der Erfolg der Bürgerinitiative, nämlich die Freihandelsabkommen zu stoppen, hängt von der Beteiligung der BürgerInnen ab! Benötigt werden 1 Million Unterschriften aus mind. 7 EU-Mitgliedstaaten. Bitte unterschreiben Sie, sobald die Bürgerinitiative gestartet wurde.

Nähere Informationen dazu finden Sie unter folgendem Link:
http://stop-ttip.org/

Kreisel: Gibt es eine Möglichkeit, dass die BürgerInnen mitbestimmen können, ob Österreich bei diesen Abkommen mitmachen soll oder nicht? Oder wird dies entschieden ohne die BürgerInnen zu befragen?
Reimon: Formal entscheidet das Europäische Parlament gemeinsam mit dem Rat der EU, in dem die zuständigen MinisterInnen der Mitgliedstaaten vertreten sind. Sollten die Abkommen auch Kompetenzen der Mitgliedstaaten berühren, wovon wir aufgrund der Reichweite dieser Abkommen ausgehen, dann müssen die Verträge auch von allen nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Eine Volksabstimmung in Österreich ist nicht vorgesehen.

Die oben erwähnte Europäische Bürgerinitiative "Verhandlungsstopp für TTIP und CETA" stellt eine Möglichkeit für die direkte Beteiligung der BürgerInnen dar.

http://stop-ttip.org/
Kreisel: Ab wann sollen die einzelnen Abkommen (TTIP, CETA & TISA) Inkrafttreten?

Reimon: TTIP und TISA sind noch im Verhandlungsstadium; die Verhandlungen könnten noch einige Jahre dauern.

Bei CETA wird kolportiert, dass es 2016 in Kraft treten könnte. Voraussetzung dafür ist, dass der Rat der EU - also die nationalen MinisterInnen - im Herbst 2014 entscheidet, dass das vorliegende Verhandlungsergebnis aus seiner Sicht zufriedenstellend ist. Dann wird der Ratifikationsprozess gestartet, so dass im Laufe 2015 das Abkommen sowohl im Europäischen Parlament als auch in den nationalen Parlamenten behandelt wird.
Aus einzelnen Mitgliedstaaten (z.B. D) gibt es jedoch massive Bedenken gegen das im Abkommen verankerte Sonderklagerecht für Konzerne (siehe oben). Deshalb ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Ratifikation verzögert bzw. das Abkommen, so wie es derzeit vorliegt, gar nicht abgeschlossen wird.

Kreisel: Wird es eine nationale Parlamentsabstimmung zu diesen Abkommen geben?

Reimon: Ob die einzelnen Abkommen vom Nationalrat beschlossen werden müssen, hängt vom Inhalt der Abkommen ab, die ja - mit Ausnahme von CETA - noch nicht fertig verhandelt sind. Wir gehen jedoch bei allen drei Abkommen davon aus, dass sie aufgrund ihrer Reichweite - und sofern es tatsächlich zu einem Abschluss kommt, - vom Nationalrat abgesegnet werden müssen.
Kreisel: Falls ja, für wann ist eine solche Parlamentsabstimmung geplant?

Reimon: TTIP und TISA sind ja noch nicht fertig verhandelt, weshalb es auch keinen Zeitplan für etwaige Abstimmungen in den Parlamenten gibt.

Bei CETA liegt derzeit auch noch kein Datum für die Abstimmung im Parlament vor. Erst wenn der Rat der EU grundsätzlich entschieden hat, dass CETA abgeschlossen werden soll, wird ein Datum für das Inkrafttreten festgelegt. Es obliegt dann der Bundesregierung, wann sie den Vertrag dem Nationalrat zur fristgerechten Beschlussfassung zuleitet.
Kreisel: Wie stehen die Grünen zum EGA-Abkommen?

Reimon: Durch das derzeit verhandelte "Environmental Goods Agreement" soll der Handel mit Umweltgütern vereinfacht und bestehende Zollbeschränkungen abgebaut werden. Viele Länder verlangen Zölle bei der Einfuhr von Solaranlagen, Windrädern etc. Dadurch werden diese unnötig verteuert und in ihrer Verbreitung gebremst. Für das Vorantreiben der Energiewende ist es aber notwendig, Umweltprodukte und umweltschonende Technologien zu fördern, die eine nachhaltige Energiebewirtschaftung ermöglichen.
Insofern ist das geplante Abkommen ein Schritt in die richtige Richtung. Es wird allerdings darauf zu achten sein, ob auf der Liste für die geplanten Handelserleichterungen wirklich umweltschonende Technologien wie Solaranlagen, Windräder, Wasserfilter etc. stehen und nicht etwa klassische Umwelttechnologien. Diese gehören in das Zeitalter der fossilen Energieversorgung, die durch Handelserleichterungen nur verlängert wird.
Zusätzlich braucht es einen einfachen Mechanismus, damit neue, zukünftige Innovationen im Bereich umweltschonender Technologien nicht von den Handelserleichterungen ausgeschlossen bleiben. Schließlich ist dafür zu sorgen, dass die Handelserleichterung auf Güter beschränkt bleibt. Ein Freihandelsabkommen für Umweltdienstleistungen lehnen die Grünen ab.
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