Politik

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (GRÜNE): Interview

Zum Thema Ziesel im Marchfeldkanal


Bildmontage (Quelle: Roland Kreisel)
GDN - In diesem Interview äußert sich MMag. Dr. Madeleine Petrovic, über die Ziesel im Marchfeldkanal, über mögliche Strafzahlungen Österreichs in dieser Angelegenheit, die Mietsituation in Wien und die Armut in unserem Land.
KREISEL: Wem hat das Areal gehört an dem das Wohnprojekt realisiert werden soll?

MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Das Areal hat der Stadt Wien gehört und wurde an zwei Bauträger verkauft. Ich glaube um 14 oder 18 Millionen Euro. Jedenfalls um einen sehr hohen Betrag. Zunächst gab es in der Umgebung nur eine Auseinandersetzung über die Höhe der Bauklasse, da sich rundherum nur sehr niedrige Gebäude befinden, also kein einziges hohes Haus. Weil aber so ein hoher Verkaufspreis bezahlt wurde, scheint sich das nur zu rechnen, wenn dort wirklich sehr viele Wohnungen gebaut werden. Daher wollte man dort mit einer hohen Bauklasse eine Wohnbauverbauung durchführen.
Doch dagegen hat sich eine Bürgerinitiative gebildet. Da ging dann eine Diskussion los, die sich um die Bauklasse drehte. In dieser Zeit dürften sich dann dort die Zisel in einer ziemlich großen Zahl angesiedelt haben. Jedoch mit einer erstaunlich gesunden und lebhaften Population. Jetzt hat natürlich der Bauträger Angst, dass er den Kaufpreis von dem Grundstück nicht hereinbringt, weil dort nach den EU-Vorschriften jede Art von Störung der Tiere strengstens verboten ist.

KREISEL: Wie sieht die Stadt Wien die Sache mit den Zwiseln und wie sollen oder können die Zwisel geschützt werden?
Die Stadt Wien scheint Angst zu haben, wenn sich das Grundstück nicht als Bauland geeignet erweist, dass es dann einen Rückkauf oder eine Haftung gibt. Daher gab es von der Stadt Wien den Plan die Zisel zu übersiedeln. Dies würde aber jeder Wildtierexperte bez. Expertin als Unfug erkennen. Denn die Zisel brauchen eine gemähte Wiese, dass bedeutet ein Stoppelfeld wo sie herausgucken können.
Daher haben sie den Plan gefasst, dass sie dort nicht mehr mähen, damit die Zisel auswandern müssen. Man hat vor sie auf sogenannte Ausgleichsflächen hinzulotsen. Das heißt, man will die Zisel praktisch diesen Flächen verscheuchen und auf andere hin lotsen. Das geht aber nicht, erstens weil Zisel Wildtiere sind, die man nicht so steuern kann wie Haustiere und zweitens weil die Ausgleichsflächen völlig ungeeignet sind.

KREISEL: Das Zisel-Problem wird ja mittlerweile auch von der Europäischen Kommission behandelt. Angeblich sollen sich Experten der Kommission gegen dieses Projekt ausgesprochen haben. Können Sie dazu etwas sagen?
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Das kann ich noch nicht hundertprozentig sagen. Ich weiß zwar das die Europäische Kommission befasst ist, ich kenne aber das Schreiben, dass die Kommission nach Wien geschickt hat, noch nicht. Da laufen parlamentarische Anfragen, um das in Erfahrung zu bringen, was da genau da drinnen steht. Aber ohne Zweifel werden es die europäischen Experten und Expertinnen nicht tolerieren, weil das sehr klar in der entsprechenden Richtlinie und in dem Aktionsplan für die Zisel vermerkt ist, dass man die nicht einmal stören darf, geschweige denn vertreiben.

KREISEL: Falls es zu einer Klage und einer Strafzahlung kommen sollte, muss diese auch wieder der Steuerzahler bezahlen oder wird die Baufirma zur Kasse gebeten?
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Ja, Österreich ist leider schon mehrfach in Naturschutzangelegenheiten verurteilt worden. Doch das bittere ist ja, die Gebietskörperschaften oder Bauträger auf der unteren Ebene Entscheidungen treffen, die dann möglicherweise EU-Rechtswidrig sind und dann die Republik verurteilt wird und die SteuerzahlerInnen zahlen müssen.
Das ist genauso Absurd wie wenn die SteuerzahlerInnen einen Polizeieinsatz mit 1700 Polizisten gegen 19 Demonstranten zahlen müssen. Aber auch mit menschlichen Ressourcen geht man leichtfertig um. Ich höre andauernd die Polizei hat so einen Personalmangel, doch wenn man 1700 Polizisten gegen 19 Jugendliche ausschickt scheint dieser Mangel doch noch nicht so arg zu sein. Dies passiert auf der Innenpolitischen Ebene wenn man Innenresort und Justizresort einer reaktionären Partei überlässt.
Es ist aber nicht das Einzige von völlig verrückten Naturschutzverfahren, wo man eigentlich sagt, bitte von der Sachlage her ist es Sonnenklar, aber die wirtschaftliche Logik ist eine andere.

KREISEL: Kann es sein, dass diese Wohnungen dann so hohe Mietpreise haben werden und sich diese die normalen Durchschnittsbürger nicht leisten werden können?
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Es ist so, dass mittlerweile fast jede Wohnung, auch die geförderten, in einer Preislage sind, die zum Beispiel eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern oder jemand der zuvor von Obdachlosigkeit betroffen war sicher nicht leisten kann. Wie ich ein Kind war ist die Stadt arm, aber so viel Elend wie jetzt von Obdachlosen habe ich damals nicht gesehen. Mitten im Reichtum gibt es so viel Armut. Oft reicht eine dumm gelaufene Scheidung, eine längere Krankheit mit langer Rekonvaleszenz aus, oder man ist in einem Alter in dem man nicht mehr so einfach einen Job bekommt und dann ist es schon geschehen.
KREISEL: Wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken?

MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Ich glaube wir brauchen mittelfristig ein ganz anderes Sozialsystem, denn ohne eine Änderung wird sich das sonst nicht machen lassen. Denn diejenigen die einmal aus der sozialen Sicherheit rausgeflogen sind, die bleiben nachhaltig draußen. Ich habe als junge Frau im Sozialministerium, damals unter Alfred Dallinger, gearbeitet und ich weiß noch wir haben damals noch in der Grundausbildung gelernt, dass es praktisch kaum Leute gibt die nicht Sozialversichert sind. Damals konnten Studenten und Studentinnen lange bei den Eltern mitversichert sein und Asylwerberinnen haben einen Schutz gehabt.
Mittlerweile haben wir so viele Leute die nicht Versichert sind. So müssen viele Menschen wenn sie doch hinauskatapultiert wurden, bei Ärzten betteln, dass sie behandelt werden. Und es gibt immer noch so Engel in Menschengestalt die das tun. Aber ich meine in einem der reichsten Länder andauernd betteln gehen zu müssen, für Dinge die eigentlich Logisch sind, dass ist eine derartige Schande, so dass ich mir denke dies wird nicht lange gut gehen.
Nun ich kann die jungen Leute, die gegen die Weltwirtschaftsforen und gegen diese Art von Geldwirtschaft demonstrieren gehen, verstehen. Wenn man an Argentinien denkt, wo zwei Hedgefonds, diese Titel um glaube ich 40 Millionen EUR gekauft haben, und jetzt Milliarden einklagen und noch Recht bekommen, also da muss ich sagen, dass ist nicht in Ordnung. Wir haben die Konflikte zwischen Geld und Moral im Kleinen bei den Ziseln und im Großen auf der Weltwirtschaft natürlich so und so.
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